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Markenartikel-Interview: Wir müssen es riskieren!

Krisen als Chance sehen

Das Best-Brands-Ranking feiert 2023 sein 20-jähriges Bestehen. Mit Florian Haller, CEO der Serviceplan Group und einem der Initiatoren des Awards, sprachen wir darüber, was die erfolgreichsten Marken auszeichnet, und wieso es wichtig ist, voneinander zu lernen. 

 

markenartikel: Lego schafft es in diesem Jahr auf den ersten Platz in der Kategorie 'Best Brand Overall'. Was ist das Erfolgsrezept der Dänen?

Florian Haller: Lego ist ein gutes Beispiel für eine Marke, der der Spagat zwischen Tradition und Innovation gelingt. Auf der einen Seite ist der Spielwarenhersteller im besten Sinne ein Leuchtturm im Leben von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen. So hat der Lego-Stein sich in seinem Aussehen seit 1958 nicht verändert. Auf der anderen Seite entwi- ändert. Auf der anderen Seite entwi uf der anderen Seite entwickelt Lego sein Produktportfolio konstant innovativ weiter – sei es mit digitalen Baukonstruktionen, einer AR-App oder Produkten, mit denen Kinder programmieren lernen. Lego gelingt es, immer wieder neue Themen zu integrieren, ohne dabei den Markenkern zu verwässern.

 

markenartikel: Die Spielwarenmarke hat 2022 ihren 90. Geburtstag gefeiert – mit einer Kampagne, die zum Spielen aufforderte. Die Aufmerksamkeit rund um das Jubiläum dürfte der Marke auch einen Push verliehen haben, oder?

Florian Haller: Lego hat eine 'Play Challenge' gestartet und immer wieder zu verschiedenen Aktionen aufgerufen, um Spielen als Glücksroutine im Alltag zu integrieren. Dabei hatte das Unternehmen tolle Markenbotschafter wie die Sängerin Alicia Keys, den promintenten Koch Yotam Ottolenghi oder den Fußballspieler Mats Hummels. Das weckte Emotionen und sorgte für Aufmerksamkeit. Allgemein spielt bei Lego die Brand Experience eine große Rolle, sei es durch starken Entertainment-Content oder die Erlebniswelt in den Lego-Parks. Auch kann Lego die höchste Markentreue aller untersuchten Marken für sich verbuchen. Die Spielwarenmarke hatte aber auch Herausforderungen zu bewältigen – und hat daraus gelernt!

 

markenartikel: Was meinen Sie?

Florian Haller: Für eine Software, mit der man Modelle aus virtuellen Lego-Steinen bauen konnte, war der Markt zum Beispiel damals noch nicht bereit und das Projekt wurde nicht weitergeführt. Aber eine langfristig erfolgreiche Marke muss Dinge ausprobieren und auch einmal etwas riskieren – und wenn es nicht funktioniert, den Kurs korrigieren. Sonst verwittert die Marke und friert ein. Es ist wichtig, konstant neuen Content zu entwickeln. Die LegoMovies waren zum Beispiel ein voller Erfolg und haben Kinosäle gefüllt. Und auch beim Thema Nachhaltigkeit geht Lego voran.

 

markenartikel: Der Konzern hat angekündigt, dass bis 2030 alle wichtigen Lego-Produkte aus nachhaltigen Materialien bestehen sollen. Das kommt gut an?

Florian Haller: Nachhaltigkeit ist eines der prägenden Themen unserer Zeit. Die Konsumenten erwarten, dass Unternehmen sich hier engagieren. Und zwar nicht als Mode-Gag, sondern als glaubwürdige Markenhaltung. Bei Lego ist das Engagement ein elementarer Teil der DNA. Rund 150 Lego-Elemente werden mittlerweile zum Beispiel aus Bio-Polyethylen – einem Kunststoff aus brasilianischem Zuckerrohr – hergestellt.

 

markenartikel: Nachhaltigkeit ist auch das Thema der diesjährigen Best-Brands-Sonderkategorie. Sie haben hier die Best Corporate Sustainability Brand gekürt. dm Drogeriemarkt gelingt es dabei am besten, in den Bereichen soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit zu punkten. Wie schafft es die Marke, eine so starke Reputation aufzubauen?

Florian Haller: Bei dm ist Nachhaltigkeit der Kern der Marke schlechthin. Das Unternehmen ist die Benchmark vor allem bei ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. So war dm-Gründer Prof. Götz W. Werner Anthroposoph und Vertreter eines betont unautoritären Führungskonzepts. Die Filialen haben viel Eigenverantwortung und können bei der Gestaltung des Sortiments mitsprechen. Diese Wertschätzung sorgt für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit – und das spürt man als Kunde. Während der Corona-Pandemie gab es unter anderem Testangebote in den Filialen. dm hat damit Verantwortung für die Gesellschaft übernommen. Das kam sehr gut an. Und was das Sor- . Und was das Sortiment anbelangt, setzt dm ebenfalls Maßstäbe. Das Unternehmen hat zum Beispiel die Upcycling-BeautyMarke 'No planet b' gelauncht, an deren Entwicklung Lehrlinge von dm aktiv beteiligt waren. 

 

markenartikel: Auch Aldi, Rossmann, Rewe und Edeka landen unter den Top 10 der 'Best Corporate Sustainability Brands'. Es dürfte den einen oder anderen Markenartikler etwas wurmen, dass der Handel hier so gut positioniert ist…

Florian Haller: Den Händlern gelingt es in der Tat gut, das Thema Sustainability zu besetzen und es den Verbrauchern zu vermitteln. Sie lancieren neue nachhaltige Produktlinien, kooperieren mit Organisationen wie WWF oder Naturland und kommunizieren ihre Initiativen auch aktiv. Markenartikler sollte das aber nicht wurmen. Sie sollten eher schauen, was sie daraus lernen können. Das ist ja im Übrigen auch der Ansatz des Best-Brands-Rankings. Wir haben es vor 20 Jahren – nach der New-Economy-Krise der frühen 2000er-Jahre – initiiert, damit Unternehmen von den Besten lernen können. Von Marken, die es auch in Krisenzeiten schaffen, erfolgreich zu sein.

 

markenartikel: Damit ist der Gründungsgedanke des Awards aktueller denn je – in Zeiten der Multikrisen wie Ukrainekrieg, Energiekostenexplosion und Lieferkettenschwierigkeiten. Welche Marken stechen hervor?

Florian Haller: Wir zeichnen Lego, Nivea und Bosch mit dem 'Best of the Best Brands'-Award aus, der die Marken mit den stärksten Leistungen im Ranking der vergangenen 20 Jahre prämiert. Lego und Nivea haben es dabei in dieser Zeit jeweils viermal auf den ersten Platz geschafft. Bosch war in den vergangenen neun Jahren immer unter den Top 10 und hatte seine stärksten Platzierungen in jüngster Vergangenheit. Das Erfolgskonzept? Das habe ich bereits in Bezug auf Lego erwähnt: Alle drei Marken haben den Spagat zwischen Tradition und Innovation geschafft. Nehmen wir zum Beispiel Bosch: Die Marke steht für Vertrauen und Zuverlässigkeit. Keine andere Marke im Ranking erzielt hier höhere Werte. Aber Bosch ist auch die Transformation zum innovativen Technologiekonzern gelungen. Mit der tollen Imagekampagne #LikeaBosch wird die Marke anfassbar und emotionalisiert, zeigt Humor und Coolness. 

 

markenartikel: Mussten auch Nivea und Bosch Krisen meistern? Beiersdorf hat zum Beispiel zum 100. Geburtstag ein Milliardenbudget für die Werbekampagne mit Rihanna ausgegeben – wobei die Pop-Diva als Testimonial nicht gut ankam.

Florian Haller: Natürlich. Solche Herausforderungen gehören dazu. Wichtig ist, wie eine Marke damit umgeht – und dass sie die richtigen Schlüsse daraus zieht. Nivea setzt jetzt mehr auf Haltungskampagnen wie 'Care for Human Touch' oder 'Nivea ist für alle da'. Das verbindet Tradition und Vertrauen mit Haltung und erzielt emotionale Identifikation mit der Marke.

 

markenartikel: Krisen sind also nicht unbedingt etwas Schlimmes?

Florian Haller: Ich glaube: Wer nie eine Krise erlebt, der hat auch nichts riskiert. Wichtig ist, auch solche Krisen durchzustehen und daraus zu lernen. Das macht langfristig erfolgreiche Marken aus. Kaputt gehen Marken nur dann, wenn sie Krisen nicht als Chance sehen und sich durch sie nicht weiterentwickeln. Dann fallen sie irgendwann aus der Zeit. Gerade in diesen aktuell unsicheren Zeiten ist es für CMOs deshalb wichtiger denn je, dass sie agil reagieren und flexibel bleiben. Ein weiterer Punkt, der langfristig erfolgreiche Marken auszeichnet, ist: Sie erreichen die Herzen der Menschen. Marketeers sollten eine Synthese aus Technologie und Empathie finden und so die Konsumenten emotional an die Marke binden. 

 

Interview: Vanessa Göbel

 

Das Interview wurde von markenartikel anlässlich der Best Brands Awards 2023 geführt und ist zuerst in markenartikel 3/23 erschienen. Hier können Sie das Heft bestellen.

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